Tarifvertragsgesetz
Was regelt das Tarifvertragsgesetz (TVG)?
Tarifautonomie als Grundprinzip
Das Tarifvertragsgesetz (TVG) bildet die Rechtsgrundlage für die autonome Aushandlung von Arbeitsbedingungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebendenverbänden (Art. 9 Abs. 3 GG, § 1 TVG). Diese sogenannte Tarifautonomie sichert den Tarifparteien ein eigenständiges Aushandeln von Tarifverträgen zu und gewährleistet, dass die jeweiligen Interessen von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden direkt berücksichtigt werden. Ein Beispiel ist die Metallindustrie, wo IG Metall und Gesamtmetall regelmäßig Tarifverhandlungen über Löhne, Arbeitszeiten und weitere Arbeitsbedingungen führen.
Rechte und Pflichten der Tarifparteien
Die Tarifparteien – Gewerkschaften auf der einen und Arbeitgebendenverbänden oder einzelne Arbeitgebende auf der anderen Seite (§ 2 TVG) – haben sowohl Rechte als auch Pflichten. Sie müssen Verhandlungen in gutem Glauben führen und geschlossene Tarifverträge einhalten (§ 3 TVG). Während der Laufzeit eines Tarifvertrags gilt die Friedenspflicht (§ 4 Abs. 5 TVG), sodass keine Arbeitskampfmaßnahmen durchgeführt werden dürfen.
Geltungsbereich und Bindungswirkung
Tarifverträge entfalten ihre unmittelbare Wirkung grundsätzlich nur für Mitglieder der Tarifparteien (§3, §4 TVG). Ein Einzelhandelsunternehmen, das Mitglied im Handelsverband ist, muss den Branchentarifvertrag auf Gewerkschaftsmitglieder anwenden. In der Praxis werden die tariflichen Regelungen jedoch oft auf alle Beschäftigten übertragen, um eine Gleichbehandlung zu gewährleisten.
Welche Arten von Tarifverträgen gibt es?
Lohn- und Gehaltstarifverträge
Lohn- und Gehaltstarifverträge regeln die konkrete Vergütung der Beschäftigten. Sie legen Entgeltgruppen, Grundvergütungen und Zulagen fest und haben typischerweise eine kurze Laufzeit von 12-24 Monaten. Ein Beispiel ist der Entgelttarifvertrag im öffentlichen Dienst, der die Gehälter für verschiedene Tätigkeitsgruppen und Erfahrungsstufen definiert. Diese regelmäßige Anpassung ermöglicht es, auf wirtschaftliche Entwicklungen wie Inflation oder Produktivitätssteigerungen zu reagieren.
Mantel- und Rahmentarifverträge
Mantel- und Rahmentarifverträge definieren die grundlegenden Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit, Urlaub, Kündigungsfristen oder Zuschlagsregelungen. Der Manteltarifvertrag der chemischen Industrie regelt beispielsweise die wöchentliche Arbeitszeit, Urlaubsansprüche und Sonderzahlungen. Diese langfristigen Regelungen schaffen Planungssicherheit für alle Beteiligten.
Wie werden Tarifkonflikte gelöst?
Verhandlung und Schlichtung
Bei Tarifkonflikten ist zunächst der Verhandlungsweg vorgesehen. Wenn sich Gewerkschaften und Arbeitgebendenverbände nicht einigen können, besteht die Möglichkeit, ein Schlichtungsverfahren durchzuführen (§ 9 TVG). Dabei wird eine neutrale Person oder Schlichtungskommission hinzugezogen, die Vorschläge für einen Kompromiss unterbreitet. Die Schlichtung hilft, verhärtete Fronten aufzubrechen und tragfähige Lösungen zu entwickeln.
Arbeitskampf als letztes Mittel
Führen Schlichtung oder Verhandlungen zu keiner Einigung, können die Tarifparteien auf Streiks oder Aussperrungen zurückgreifen. Das Recht zum Arbeitskampf ist verfassungsrechtlich geschützt (Art. 9 Abs. 3 GG). Ein Streik ist eine Arbeitsniederlegung durch die Beschäftigten, eine Aussperrung erfolgt auf Seite der Arbeitgebenden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen diese verhältnismäßig sein und dürfen erst nach Scheitern der Verhandlungen eingesetzt werden.
Rolle der Arbeitsgerichte
Die Arbeitsgerichtsbarkeit entscheidet über die Rechtmäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen und klärt Streitigkeiten zur Auslegung von Tarifverträgen (§2 Abs. 1 Nr. 1, 2 ArbGG). Die Gerichte prüfen beispielsweise, ob ein Streik verhältnismäßig war oder ob tarifliche Regelungen korrekt angewendet werden. Diese gerichtliche Kontrolle sichert die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen des Tarifrechts.
Lernziele
- die verschiedenen Arten von Tarifverträgen veranschaulichen, indem die Unterschiede zwischen Lohn-, Mantel- und Rahmenverträgen sowie deren spezifische Regelungsinhalte anhand konkreter Beispiele dargestellt werden.
- die Bedeutung des Tarifvertragsgesetzes (TVG) erklären, indem die Ziele des Gesetzes, die Regelungen zur Tarifautonomie und die Bedeutung für die Arbeitsbeziehungen systematisch dargestellt werden.
- die Rechte und Pflichten der Tarifparteien erklären, indem die Regelungen zur Tarifautonomie, die Friedenspflicht und die Möglichkeiten zur Durchsetzung tariflicher Ansprüche systematisch dargestellt werden.
- die Konfliktlösungsmechanismen bei Tarifstreitigkeiten veranschaulichen, indem die Verfahren der Schlichtung, die Bedeutung von Arbeitskampfmaßnahmen und die Rolle der Arbeitsgerichte anhand konkreter Fallbeispiele dargestellt werden.
- die Anwendung von Tarifverträgen interpretieren, indem die Geltungsbereiche, die Bindungswirkung für die Tarifparteien und die Bedeutung für die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten analysiert werden.