Lasten- und Pflichtenheft für Netzwerke

Lernfeld: Netzwerke und Dienste bereitstellen

Was ist ein Lastenheft für Netzwerkinfrastrukturen?

Das Lastenheft: Dein Bauplan für das Netzwerk

Ein Lastenheft für Netzwerkinfrastrukturen ist ein zentrales Dokument, das die Anforderungen an ein neues oder zu erweiterndes Netzwerk aus Sicht der Auftraggebenden detailliert beschreibt. Stell dir vor, du möchtest ein Haus bauen: Das Lastenheft ist wie deine Wunschliste an die Architekt:innen – es legt fest, was du benötigst (z.B. Anzahl der Zimmer, Größe der Küche), aber noch nicht, wie es genau gebaut wird (z.B. welche Ziegelsteine verwendet werden). Es dient als verbindliche Grundlage für die spätere Planung und Umsetzung durch die IT-Abteilung oder externe Dienstleistende.

Ein typisches Lastenheft enthält folgende Kernbereiche:

  • Projektübersicht und Ziele: Was ist der Anlass und was soll erreicht werden?
  • Ist-Zustand: Wie sieht die aktuelle Netzwerksituation aus, wo gibt es Probleme?
  • Soll-Zustand (Anforderungen): Der wichtigste Teil, der beschreibt, was das Netzwerk leisten muss.
  • Rahmenbedingungen: Technische, organisatorische oder rechtliche Vorgaben, die beachtet werden müssen.
  • Abnahmekriterien: Woran wird gemessen, ob das Projekt erfolgreich war?

Funktionale Anforderungen: Was soll das Netzwerk leisten?

Funktionale Anforderungen beschreiben die konkreten Aufgaben und Dienste, die das Netzwerk bereitstellen muss. Sie beantworten die Frage: Was soll das System können?
Einige Beispiele für funktionale Netzwerkanforderungen:

  • "Das Netzwerk muss allen 150 Mitarbeitenden im neuen Bürogebäude einen stabilen Internetzugang mit mindestens 50 Mbit/s pro Arbeitsplatz ermöglichen."
  • "Es muss eine drahtlose Netzwerkverbindung (WLAN) für Gäste im Besprechungsbereich mit separater Internetanbindung bereitgestellt werden."
  • "Die Übertragung von Videokonferenzdaten zwischen den Standorten A und B muss ruckelfrei möglich sein."
  • "Das Netzwerk muss den Zugriff auf den zentralen Fileserver für alle Abteilungen gemäß deren Berechtigungen sicherstellen."

Nicht-funktionale Anforderungen: Wie gut soll das Netzwerk sein?

Nicht-funktionale Anforderungen definieren die Qualitätsmerkmale und Rahmenbedingungen des Netzwerks. Sie beantworten die Frage: Wie gut soll das System seine Aufgaben erfüllen? Diese sind oft entscheidend für die Zufriedenheit der Nutzenden und den stabilen Betrieb.
Beispiele für nicht-funktionale Netzwerkanforderungen:

  • Verfügbarkeit: "Das Kernnetzwerk muss eine Verfügbarkeit von 99,99% im Jahresdurchschnitt aufweisen." (Wie oft darf es ausfallen?)
  • Performance/Geschwindigkeit: "Die durchschnittliche Latenzzeit für Zugriffe auf den internen Anwendungsserver darf 20 Millisekunden nicht überschreiten." (Wie schnell reagiert es?)
  • Sicherheit: "Der Zugriff auf das Verwaltungsnetzwerk der Server darf nur über eine Zwei-Faktor-Authentifizierung erfolgen." (Wie sicher ist es?)
  • Skalierbarkeit: "Das Netzwerk muss so konzipiert sein, dass es innerhalb der nächsten drei Jahre um weitere 50 Arbeitsplätze erweitert werden kann, ohne dass grundlegende Komponenten ausgetauscht werden müssen." (Wie gut kann es wachsen?)
  • Wartbarkeit: "Die Konfiguration aller Switches und Router muss über eine zentrale Management-Software möglich sein." (Wie einfach ist die Verwaltung?)

Welche Rahmenbedingungen beeinflussen Netzwerkanforderungen?

Rechtliche Vorgaben und Compliance

Netzwerkinfrastrukturen unterliegen oft strengen rechtlichen und regulatorischen Auflagen, die direkt in die Anforderungen einfließen müssen.

  • Datenschutz (z.B. DSGVO): Werden personenbezogene Daten über das Netzwerk übertragen oder gespeichert, müssen technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz dieser Daten implementiert werden. Eine Anforderung könnte lauten: "Die Übertragung von Kund:innendaten zwischen der Filiale und der Zentrale muss Ende-zu-Ende verschlüsselt erfolgen."
  • IT-Sicherheitsgesetze: Für Betreibende kritischer Infrastrukturen (Energie, Gesundheit, Finanzen) können spezifische IT-Sicherheitsstandards vorgeschrieben sein. Dies kann zu Anforderungen wie "Implementierung eines Intrusion-Prevention-Systems am Internetübergang" führen.
  • Branchenspezifische Standards: Bestimmte Branchen haben eigene Normen (z.B. PCI DSS für Kreditkartendaten), die die Netzwerksicherheit und -segmentierung beeinflussen.

Unternehmensrichtlinien und Budgetrestriktionen

Auch interne Faktoren des Unternehmens prägen die Netzwerkanforderungen maßgeblich.

  • Unternehmensrichtlinien: Bestehende IT-Sicherheitsrichtlinien, Vorgaben zur Nutzung von Cloud-Diensten oder Home-Office-Regelungen müssen berücksichtigt werden. Eine Anforderung könnte sein: "Das Netzwerk muss einen sicheren VPN-Zugang für bis zu 100 gleichzeitige Home-Office-Nutzende bereitstellen."
  • Budget: Die finanziellen Mittel setzen klare Grenzen für die Auswahl von Technologien und den Umfang der Lösung. Ein knappes Budget könnte dazu führen, dass bei der Ausfallsicherheit Kompromisse gemacht werden müssen, z.B. "Redundante Anbindung des Internet-Uplinks ist wünschenswert, aber nur, wenn im Budget X realisierbar." Das Lastenheft muss daher realistische Anforderungen definieren.

Lernziele

  • das Konzept und die typische Struktur eines Lastenhefts (Requirement Specification) für Netzwerkinfrastrukturen erklären, indem die wesentlichen Abschnitte und Inhalte wie funktionale Anforderungen (z.B. Bandbreite, Latenz, unterstützte Protokolle), nicht-funktionale Anforderungen (z.B. Sicherheit, Skalierbarkeit, Verfügbarkeit, Wartbarkeit), technische Rahmenbedingungen (z.B. vorhandene Infrastruktur, Standards) und Abnahmekriterien dargestellt werden.
  • die Auswirkungen von Rahmenbedingungen wie rechtlichen Vorgaben (z.B. DSGVO, IT-Sicherheitsgesetze), Unternehmensrichtlinien und Budgetrestriktionen auf die Formulierung von Netzwerkanforderungsspezifikationen interpretieren, indem analysiert wird, wie diese externen und internen Constraints in konkrete, messbare und realistische Netzwerkanforderungen übersetzt und im Lastenheft dokumentiert werden müssen.
  • funktionale und nicht-funktionale Anforderungen im Kontext von Netzwerkprojekten differenzieren, indem für typische Netzwerkanforderungen (z.B. Datenübertragungsrate für eine Anwendung, Ausfallsicherheit eines Netzwerksegments, Zugriffskontrollmechanismen) jeweils die funktionale (Was soll das System leisten?) und nicht-funktionale (Wie gut soll das System es leisten?) Perspektive erläutert und Beispiele für deren präzise Spezifikation gegeben werden.

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